Zu Besuch bei Spoon und Type One
Wir waren für ein paar Tage in Tokio und haben uns vorgenommen neben der Honda Collection Hall in Motegi auch bei Spoon vorbeizuschauen. Unser Hotel im Ikebukuro-Viertel war zwar nicht gerade um die Ecke, aber dank des hervorragenden öffentlichen Verkehrs in Tokio sollte das kein Hindernis darstellen. Bloss, wo ist denn Spoon genau? Auf der Webseite war zwar eine Karte zu finden, die war aber nur Japanisch beschriftet und half damit nicht wirklich weiter. Immerhin konnte uns der Herr an der Rezeption sagen, dass die Ogikubo Station eingezeichnet ist. Also haben wir, solange wir noch das WiFi im Hotel nutzen konnten, im Internet die Bahnverbindung rausgesucht und dann auf der Maps2Go-App eine Stecknadel gesetzt – da die Karte auf der Spoon-Website eher einfach gehalten war konnten wir den genauen Ort nur vermuten.
Die Ogikubo Station zu erreichen war relativ einfach. Von da ging es der Kampachi-dori entlang südwärts an eintönigen Vorstadtgebäuden vorbei. Langsam dachten wir, dass wir in die falsche Richtung laufen, denn nichts deutete darauf hin, dass hier irgendwo eine legendäre Motorsport-Schmiede sein sollte. Und dann, als wir schon fast wieder umdrehen wollten, standen wir plötzlich vor dem blauen Spoon Sports-Schild. Durch das Schaufenster sahen wir dann auch schon die typische blau-gelbe Kriegsbemalung schimmern. Beim Eintreten wurden wir nicht enttäuscht. Da stand er also, der Civic mit dem vor über einem Vierteljahrhundert alles angefangen hat. Mit grossen Augen standen wir vor dem Kult-Hatch. Doch irgendwie sah es hier anders aus, als wir erwartet hatten. OK, wir waren im Erdgeschoss, wahrscheinlich muss sich der Showroom, den man von den Bildern kennt, in einem der oberen Stockwerke befinden. Wir haben also einen Mitarbeiter, der an seinem Schreibtisch in die Arbeit vertieft war, gefragt ob wir nach oben dürfen. Dafür ernteten wir erst einen ungläubigen Blick und er meinte, dass sich oben nur Büros befinden. Erst als wir nach dem Showroom fragten dämmerte ihm was wir wollten und erklärte uns, dass der Showroom von Type One sei, der Garage von Spoon und erklärte uns den Weg dorthin. Zum Glück mussten wir um zu Type One zu gelangen nur 10 Minuten weiter der Strasse folgen.
Als wir die orangen Type One-Schilder sahen wussten wir, dass wir richtig sind. Im Erdgeschoss befindet sich die Werkstatt von Type One. Spoon Sports ist für Konzept und Entwicklung von Rennfahrzeugen, Motorsport- und Tuningteilen zuständig und Type One ist der Tuning-Shop des Unternehmens. Hierhin bringen Kunden ihre Hondas, die sie umbauen, optimieren und warten möchten. In der Werkstatt befinden sich zwei separate Arbeitsboxen, einmal für Arbeiten an Antriebskomponenten und einmal der Raum für die Motorenbauer. An diesem Vormittag waren allerdings keine Hondas in der Werkstatt, zu unserer Überraschung jedoch ein klassischer Lotus Europa.
Wirklich grossartig wurde es im Obergeschoss. Über eine Aussentreppe gelangt man in den legendären Showroom. Der Anblick liessdas Herz eines jede Honda S2000-Fans höherschlagen. Gleich vier der Honda-Roadster in verschiedenen Ausbaustufen gab es zu sehen. Das Pre-Facelift Modell in Indy Yellow Pearl und der Facelift S in Royal Navy Blue Pearl standen zwar bone stock da, machten aber in ihrem makellosen Zustand mächtig Eindruck. Kann ein S-Tai auch dezent wirken? Bisher dachten wir, dass das nicht geht, aber der AP1 bei Spoon zeigte, dass das durchaus möglich ist. Vielleicht lag es daran, dass nur die S-Tai Front verbaut war, der Wagen in Grand Prix White besonders unschuldig wirkte oder weil das ST4-Rennfahrzeug einen mächtigen Kontrast darstellte. Interessant war auch die Kombination von Teilen verschiedener Hersteller: Front von Spoon, Kotflügel und GT-Wing von J's Racing, Haube, Hardtop, Airbox und Catback von Mugen. Fun Fact: In den USA und in Europa bauen viele Tuning-Fans auf orange Blinker bzw. Standlichter um, weil das so «JDM» sein soll. Da standen wir nun vor einem JDM-S2000 der die weissen JDM-Blinker auf orange USDM umgebaut hat. Die Top-Ausbaustufe war der ST4-S2000 – hier war dann fertig mit S-Tai und dezent. Bei diesem S2000 zeigte sich wo Spoon herkommt und was ihre Leidenschaft ist: Motorsport. Da bestätigte auch der Civic Type R FD2 im Renntrim, der sich oben auf der Rampe versteckte. Nicht so recht ins Bild passte da der Honda Vamos der hinten in der Ecke stand. Was ein Honda Vamos ist? Honda hat Anfang der 1970er-Jahre auf Basis des Kei-Trucks TN 360 einen Freizeit-Pick up gebaut, der ohne Türen und mit Faltverdeck sehr rustikal daherkam. In den drei Jahren zwischen 1970 und 1973 wurde 2500 Exemplare wurden gebaut. So etwas ausserhalb der Honda Collection Hall zu sehen ist eher selten der Fall.
Der Besuch hat definitiv einen bleibenden Eindruck hinterlassen und ist jedem zu empfehlen, der sich für Honda und Motorsport interessiert. Der Kult-Status kommt nicht von ungefähr, dass man trotzdem am Boden geblieben ist macht Spoon umso sympathischer.
Geschichte von Spoon und Type One
Spoon wurde 1988 von Tatsuru Ichishima gegründet, der bis dahin hat er mit seiner «Tatsuru Ichishima Company» für Honda als Testfahrer gearbeitet hat. Als leidenschaftlicher Rennfahrer wollte Ichishima Rennsport- und Tuning-Teile entwickeln und produzieren. Spoon hat dann auch direkt das erste Rennauto gebaut. Als Basis diente ein E-AT Civic – die Sportversion der dritten Civic-Generation mit dem 130PS starken ZC-Motor. In der Rennversion leistete der 1.6 Liter Motor mit zwei obenliegenden Nockenwellen – der direkte Vorgänger des ersten Vierzylinder-VTEC-Motors B16A – sagenhafte 230PS bei 9800 Umdrehungen. Ichishima wurde von Honda und der inoffiziellen Honda-Motorsportabteilung Mugen mit Teilen unterstützt und lieferte im Gegenzug Daten aus dem Rennbetrieb. Der Racer von Ichisima war der erste Civic in der Japan Touring Car Championship, das offizielle Honda-Team ist erst später zur JTC-Serie gestossen. Der Philosophie des ersten Rennautos ist Spoon bis heute treu geblieben: Leicht und wendig sollen die Fahrzeuge sein und dabei auf OEM-Teilen aufbauen. Die ECU des ersten Spoon-Civic stammte zum Beispiel von Keihin, einem langjährigen Zulieferer von Honda. Die Bremsen kamen von Nissin, ebenfalls einem Produzenten von OEM-Hondateilen. Viele mechanischen Komponenten wurden poliert, feingewuchtet und optimiert um die innere Reibung zu reduzieren. Das ist auch heute noch so, genau wie die kurzen Getriebeübersetzungen für die Spoon bekannt ist.
Seither ist viel passiert. Spoon kann auf zahlreiche Erfolge von Tskuba bis zur Nürburgring Nordschleife, von Jazz über Civic, S2000 bis zum NSX zurückblicken. Spoon ist Kult und Ichishima-san geniesst weltweit grosse Hochachtung weit über die Honda-Szene hinaus.
Der Firmenname geht übrigens auf die anspruchsvolle Spoon-Kurve des Suzuka Circuit zurück. Wer sich fragt, was es mit dem Kranich im Firmenlogo von Spoon auf sich hat, das ist ein Wortspiel mit dem Vornamen des Firmengründers. Tatsuru klingt ähnlich klingt wie Tsuru, dem japanischen Wort für Kranich.