In Europa gibt es keinen Honda Civic mehr. Wie bitte? Ein Hersteller wird doch wohl kaum das am meisten verkaufte Modell aus dem Angebot nehmen? Keine Angst, der beliebte Kompaktwagen von Honda macht einfach gerade Pause. In Europa wird der Civic auf den Webseiten von Honda zwar noch aufgeführt, tatsächlich ist die zehnte Generation jedoch ausverkauft. Die Produktion eingestellt.
Wir hoffen, dass die Umstellung der Produktion nach der Schliessung des Werkes in Swindon und die aktuellen Probleme mit den Lieferketten der Grund sind, dass in Europa bei Modellwechseln so lange Lücken entstehen. Der HR-V ist zum Beispiel seit Wochen nicht mehr bestellbar. Erste Exemplare des Nachfolgers werden erst im nächsten Frühling ausgeliefert. Den neuen Civic hat Honda auf Herbst 2022 angekündigt. Es ist zu befürchten, dass die ersten Modelle erst Anfang 2023 ausgeliefert werden.
Modellvielfalt in Nordamerika
In Nordamerika macht Honda seinen Kunden mehr Freude. Der neue Civic steht bereits bei den Händlern. Seit Sommer kann man den Sedan in Kanada und den USA kaufen. Der zivilen Variante mit dem überarbeiteten 1.5 Liter Turbomotor, 180PS und Automatik-Getriebe folgt nun der sportliche Honda Civic Si. Der Si ist zwischen den «Brot und Butter»-Modellen und dem Type R positioniert. Letzterer wird in Nordamerika in der zweiten Jahreshälfte 2022 erwartet.
In Nordamerika wird der Civic als viertürige Limousine angeboten. Anders als beim Vorgänger wird es diese Carrosserie-Variante in Europa gemäss heutigem Kenntnisstand nicht mehr geben. In der alten Welt kommt ausschliesslich der fünftürigen Hatchback. Auch die Zeit 1.5 Liter-Turbomotoren ist in Europa aufgrund der strengen CO2-Gesetzgebung vorbei. Hierzulande wird es nur die Hybrid-Variante und den Type R geben.
Der Hatchback ist in Nordamerika seit diesem Herbst ebenfalls erhältlich. Die Einstiegsversionen kommen mit einem 2 Liter Sauger, ab der mittleren Ausstattungsvariante kommt der 1.5er Turbo zum Einsatz. Zur Auswahl stehen Schalt- und Automatikgetriebe.
Allerdings musste auch in Nordamerika die Modellpalette Federn lassen. Das zweitürige Coupé wurde mit der letzten Generation eingestellt.
Vom S zum Si
Fast vierzig Jahre ist es her, als Honda in Nordamerika den ersten sportlichen Civic präsentierte. 1983 stand die zweite Civic-Generation mit dem S-Badge bei den Händlern. Daran, dass mit «S» Sport gemeint war, liess der für damalige Verhältnisse sportliche Auftritt des Civic S keinen Zweifel. Soviel Fantasie traute man den Briten nicht zu, auf der Insel hiess dieses Modell schlicht «Civic Sport». In der Schweiz ging es in den 80ern offenbar heiss zu und her. Die Eidgenossen bekamen 1982 den «Hot S»! Abgesehen von den verschiedenen Bezeichnungen war die Philosophie klar. Honda wollte einen sportlichen und trotzdem bezahlbaren Kompaktwagen bieten. Fahrspass fürs Volk! Die Idee war natürlich nicht neu, sondern Hondas Antwort auf den Golf GTi.
Mit der dritten Generation des Honda Civic kamen die Einspritzmotoren. Die elektronische Benzineinspritzung war in den 1980ern eine Revolution. Kein Wunder, dass Autohersteller die neuartige Technik in die Modellbezeichnungen einfliessen liessen. Honda war da nicht anders und aus dem Civic S wurde der Civic Si (Sport Injection).
Der Philosophie ist Honda bis heute treu geblieben. Auch in der elften Generation bietet der Civic Si Fahrspass zu einem attraktiven Preis. Der sportliche Sedan kosten weniger als 30'000 US-Dollar.
2022 Honda Civic Si
Wo wollen wir beim neuen Civic Si anfangen? Beginnen wir mit den Alltagsqualitäten. Trotz seiner sportlichen Gene bietet der Si selbstverständlich die gewohnten modernen Annehmlichkeiten. Das Infotainment-System mit 9 Zoll-Display und kabellosem Apple CarPlay gehört genauso dazu, wie das Bose Premium-Soundsystem mit 12 Lautsprechern. Natürlich sind auch die Fahrassistenzsysteme der neusten Generation von Honda Sensig an Bord.
Der Innenraum gibt sich betont sportlich. Die neuen Sportsitze mit integrierter Kopfstütze versprechen guten Seitenhalt. Farbliche Akzente umrahmen die Wabenstruktur im Armaturenbrett. Im gleichen sportlichen Rot sind auch die Kontrastnähte an Lenkrad, Türverkleidungen und Schalthebelmanschette gehalten. Geschaltet wird mit einem mit Leder eingefassten Schaltknauf aus Aluminium. Natürlich dürfen auch Sportpedale nicht fehlen.
Auch Aussen hat Honda beim Si gegenüber den Standardmodellen eine Schippe draufgelegt. Fangen wir beim Lack an. Exklusiv für den Si erhältlich ist die neue Farbe Blazing Orange Pearl. Die Farbe erinnert auf den ersten Blick an das von NSX und S2000 bekannten New Imola Orange Pearl. Flankiert wird das neue Farbkleid von schwarzen Akzenten an den Aussenspiegeln und am Heckspoiler. Apropos Heckspoiler. Natürlich wurde auch an der Aerodynamik gefeilt. So soll der erwähnte Spoileraufsatz auf dem Kofferraumdeckel den Auftrieb reduzieren und für ein stabileres Fahrverhalten bei höheren Geschwindigkeiten sorgen. Vorne fällt der Wabengrill ins Auge. Die Stossstange wurde insgesamt etwas aggressiver. Das Heck erhielt wegen der beiden ovalen Endrohre ebenfalls eine Umgestaltung. Der sportliche Auftritt wird mit den neuen mattschwarzen 18 Zoll Alufelgen abgerundet.
Dass Honda Sportlichkeit auch in Fahrspass ummünzt versteht sich von selbst. «Si» ist nicht einfach nur eine Ausstattungsvariante sondern ein Statement. Die gute Nachricht gleich zu Beginn. Den Si gibt es ausschliesslich mit drei Pedalen. Das heisst, geschaltet wird von Hand mit einem knackigen Sechsganggetriebe. Das ist im Zeitalter von Doppelkupplungsgetrieben keine Selbstverständlichkeit. Schon gar nicht in Nordamerika, wo viele gar nicht mit einem Schaltgetriebe fahren können. Das Getriebe wurde gegenüber dem Vorgänger überarbeitet und soll sich noch präziser schalten lassen. Die Schaltwege wurden um 10% verkürzt. Neu im Si ist auch das aus dem Honda Civic Type R FK8 bekannte Rev-matching-System. Beim Herunterschalten wird die Drehzahl durch gezielte Zwischengasstösse automatisch auf die optimale Drehzahl gebracht. Das Getriebe ist mit einem Sperrdifferential ausgestattet. So machen Kurven noch mehr Spass! Der 1.5 Liter Turbomotor leistet im Si 200PS und produziert ein Drehmoment von 260Nm. Das maximale Drehmoment steht zwischen 1'800 und 5'000U/min an und damit 300U/min früher als beim Vorgänger. Das neue 26% leichtere Einmassenschwungrad verbessert das Ansprechverhalten, der Si hängt so noch besser am Gas.
Leistung war bei Honda immer nur ein Teil der Performance. Das ist beim Si nicht anders. Fahrspass entsteht schliesslich immer als Zusammenspiel von Antrieb und Handling. Am Fahrwerk wurde deshalb gezielt Hand angelegt. Die Federraten wurden etwas härter (vorne 8%, hinten 54% steifer) und die Dämpfer straffer. Um die Stabilität zusätzlich zu verbessern, wurden auch die Fahrwerksbuchsen punktuell durch Civic Type R-Komponenten ersetzt. Im Zuge der Neuabstimmung erhielt der Civic Si dickere Stabilisatoren. Die Lenkung wurde im Si gegenüber den Standardmodellen ebenfalls überarbeitet und direkter ausgelegt. Das Resultat dürfte stimmen, so wie wir es von Honda gewohnt sind.
Damit der Honda Civic Si auch ordentlich verzögert, ist der Durchmesser der Bremsscheiben vorne 30mm (312mm) und hinten 23mm (282mm) gewachsen.
Neu kann das Fahrverhalten individualisiert werden. Neben den Fahrmodi «Normal» und «Sport», kann mit dem individuellen Modus eine persönliche Abstimmung eingestellt werden. Das Ansprechverhalten des Motors, die Lenkkräfte und die Anzeigen können damit nach dem persönlichen Geschmack des Fahrers justiert werden.
Sorry, America only!
Das klingt alles sehr interessant, findet ihr auch? Wie eingangs erwähnt, ist das aber leider nichts für uns in Europa. Der Honda Civic Si steht noch in diesem Jahr bei den Händlern, allerdings nur in Nordamerika. In Europa müssen wir uns gedulden bis der neue Civic Type R kommt. 2023 vielleicht?
Fotos: Honda