Das Japanclassic ist nicht neu. Das Treffen vom 22. Mai 2022 fand bereits zum zwölften Mal statt. Mittlerweile ist die Zusammenkunft von Fans japanischer Young- und Oldtimer selber schon so etwas wie ein Klassiker. Nun haben wir es endlich auch einmal geschafft, uns im bernischen Bleienbach umzusehen.
Die Ernüchterung
Die Ernüchterung hat weniger mit dem Japanclassic-Treffen zu tun, als mit der Erkenntnis, dass Fahrzeuge bis Jahrgang 2001 zugelassen waren. Das ist natürlich richtig, denn ab 20 Jahren gilt ein Fahrzeug gemeinhin als Youngtimer. Trotzdem, wenn man Honda Integra Type R, Civics der sechsten Generation oder S2000 dastehen sieht, denkt man im ersten Moment schon, was denn diese «neuen» Modelle hier zu suchen haben. Dann fällt einem ein, dass diese Modelle keineswegs neu sind, sondern vor 24 Jahren auf den Markt kamen. Verdammt, was sind wir alt geworden! Auf der anderen Seite sah man am Treffen keineswegs nur Honda-Veteranen. Nicht wenige der Honda-Enthusiasten waren selber jünger als ihre Youngtimer. Die 80er- und 90er-Jahre üben auf die Gen Z eine ganz besondere Faszination aus. Das gilt natürlich auch für die Honda-Kultur.
Oldschool
Was in Bleienbach zu sehen war, gibt es in dieser Form wohl nur selten. Von Datsun über Mazda und Mitsubishi bis zu Toyota war eine Vielzahl klassischer Modelle in perfektem Zustand ausgestellt. Auch der eingefleischteste Honda-Fan dürfte von all diesen Klassikern beeindruckt gewesen sein. Unser Augenmerk galt trotzdem den Hondas.
Bei den Oldtimern müssen wir schon aufgrund der überwältigende Anzahl an anwesenden Fahrzeugen mit den Honda S600 und S800 beginnen. Ob als Coupé oder Roadster war der kleine Honda aus den Sixties fast schon allgegenwärtig. Den wenigsten ausserhalb der S600/S800-Szene ist wohl bewusst, wieviele perfekt restaurierte Exemplare hierzulande existieren.
Nach einem Zeitsprung landeten wir direkt in den 70ern und damit bei einem Modell, das wir heute noch kennen: Dem Honda Civic. Der Civic den wir meinen ist aber nicht einfach ein Civic, sondern ein ganz besonderes Modell der ersten Generation. Der «Kugelcivic» der in Bleienbach stand ist bei einigen Honda-Fans sicher kein Unbekannter. Der weisse Breitbau-Hatch wurde dem «Team Yamato» Civic SB1 nachempfunden.
Wem das jetzt auf Anhieb nichts sagt, das «Team Yamoto» wurde von Ingenieuren des Honda Institute gegründet, einer Art Thinktank ausserhalb des Honda-Headquaters. Man wollte ein Fahrzeug bauen mit dem man Rennen fahren konnte. In ihrer Freizeit schraubten die Ingenieure an ihrem Projekt und heraus kam 1978 der erste Renn-Civic der Welt. Die Eckdaten mögen aus heutiger Sicht bescheiden erscheinen, aber 150PS bei 7'800 U/min aus 1.3 Liter (ursprüngliche Leistung: 69PS) und ein Gewicht von knapp unter 600 kg waren zu dieser Zeit eine echte Ansage. Wie viel der Yamoto-DNA im Civic am Japanclassic steckt, ist nicht genau bekannt. Gerüchten zufolge soll die Schweizer Ausführung ziemliche nahe am japanischen Vorbild dran sein.
Newschool
Eine kleine Unschärfe bei der Zuteilung zu Young- und Oldtimern nehmen wir an dieser Stelle bewusst in Kauf. Nach 30 Jahren kann ein Fahrzeug in der Schweiz als Veteran zugelassen werden oder erhält in Deutschland das H-Kennzeichnen. Dementsprechend gelten Autos ab diesem Alter als Oldtimer. Konkret bedeutet das, dass alle Autos mit Jahrgang 1991 und älter den Oldtimern zugeordnet würden. Darunter fällt die erste und teilweise auch zweite Generation des Honda CRX und auch der Prelude der zweiten und dritten Generation gilt eigentlich als Oldtimer. Wir zählen die aber zu den Youngtimern. Zum einen, weil diese Modelle zu der Zeit der Gründung von HondaHolics in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre noch relativ aktuell waren. Zum anderen wohl auch, weil wir einfach noch nicht bereits sind, Autos aus den 80ern als Oldtimern zu betrachten. Für uns gehören die «Millennials» zu den Youngtimern.
Seien wir ehrlich, verantwortlich für dieses Dilemma sind die Preludes. Ja, sagen wir es geradeaus! Der CRX ist ein klares 90er-Auto, ein Youngtimer also. Zumindest «unser» CRX, denn wenn man in der Schweiz CRX sagt, meint man CRX VTEC, also den EE8 (auch hier straft uns die «Gästeliste» in Bleienbach Lüge, dazu später). Wo waren wir? Ach ja, bei den Preludes. Nach über 30 Jahren gefällt den Leuten plötzlich der Prelude mit den Klappscheinwerfern? 30 Jahre lang wollte das Coupé niemand, aber seit ein oder zwei Jahren gibt es einen richtigen Hype um die Preludes der zweiten und dritten Generation. Gut so! Endlich!
Als vor 20 Jahren im HondaHolics-Forum einer seinen CRX EE8 verkauft und einen Prelude BA4 gekauft hat, herrschte grosses Unverständnis. Dass er das Coupé nicht wie zu dieser Zeit üblich «Luder» nannte (was für ein dummer Name), sondern sich für «Baffy» entschied, änderte daran wenig. Dabei war die Kombination von BA4 und Buffy doch genial, denn wer stand zu dieser Zeit nicht auf Sarah Michelle Gellar? Wie dem auch sei, es sollten zwei weitere Dekaden vergehen, bis die Honda-Coupés mit dem charmanten Augenaufschlag endlich geschätzt werden würden. Das Interessante dabei ist, dass der Prelude eher eine jüngere Klientel anspricht. Die meisten Besitzerinnen und Besitzer der alten Prelude sind Anfang bis Mitte zwanzig.
Natürlich würden wir nicht soviel über Preludes erzählen, wenn nicht auch am Japanclassic gleich mehrere Modelle zu sehen gewesen wären. Den einen roten Prelude kennen wir vom Japanese Car-Meet im Ace Cafe vom letzten November. Das Fahrzeug ist mittlerweile frisch lackiert. Beim Anblick dieses Prachtstücks fragt man sich echt, warum die Kiste erst jetzt gefeiert wird.
Kommen wir zu «unserem» CRX. Ja, es waren auch EE8 am Treffen, genauso wie das Schwestermodell, der Civic Hatchback EE9. Dass es auch ohne VTEC geht, beweist immer wieder der Advan-CRX, der natürlich auch in Bleienbach nicht fehlen durfte. Der ED9 mit seiner rot-schwarzen Advan-Kriegsbemalung ist eine Hommage an die Rennfahrzeuge aus der Japanischen JGTC- und JTCC-Rennserien in den 90er-Jahren.
Eine Generation älter, aber nicht weniger faszinierend, ist die erste Generation des CRX. Auch von diesem Kult-Modell waren unterschiedliche Varianten zu sehen. Von komplett original, über leicht modifiziert bis zu «zur Unkenntlichkeit modifiziert».
Zugegeben, der Extremumbau am Japanclassic, war nichts für schwache Nerven. Es gab den ein oder anderen negativen Kommentar, aber auch viele erstaunte Blicke. Der Umbau war aber kein typischer Plastikbomber wie wir ihn aus den Nullerjahren kennen. Auch wenn der CRX grotesk wirkte, irgendetwas hatte das Ding. Der Stil erinnerte irgendwie an amerikanische Lowrider: Glitterlack, Zweitonlackierung, Pinstripes und viel Chrom. Über Geschmack lässt sich streiten, einmalig war der AS aber auf jeden Fall.
Neben all den Coupés dürfen wir natürlich nicht Hondas Flaggschiff vergessen. Der NSX hat Ende 80er, Anfang der 90er für Furore gesorgt und wurde nicht zuletzt dank Ayrton Senna zur Legende. Der Mittelmotor-Sportler wirkte irgendwie aus der Zeit gefallen, was in diesem Fall heisst, dass er jünger aussah als seine Zeitgenossen am Japanclassic. Eine Supra MK III wirkt neben dem NSX wie ein rüstiger Rentner der Golf spielt neben einem Marathonläufer mittleren Alters. Natürlich hat der X Nineties-Charme, aber trotzdem wirkt er auch heute noch relativ zeitgemäss. Schade, dass die Auswahl an NSX am Japanclassic sehr übersichtlich war. Wir hätten gern mehr gesehen von Hondas Supersportler.
Youngster
Was haben wir da nur angerichtet. Nachdem wir die Zeitspanne der Youngtimer ausgedehnt haben, stehen wir nun vor einem neuen Problem, denn alles seit 1980 in einen Topf zu schmeissen wird der Realität nicht gerecht. Das Konzept mit Young- und Oldtimern ist wohl zu allgemein gehalten, als dass man es einfach jeder Marke überstülpen könnte. Bei Honda muss man die frühen 90er vom Rest des Jahrzehnts unterscheiden. Prelude, CRX, NSX & Co wurden noch zu Lebzeiten von Honda-Gründer Sōichirō Honda entwickelt. Die Modelle nach seinem Tod 1991 stellen eine kleine Zeitenwende dar. Zwar wurde VTEC eine Art «Herzstück» der Marke und die Modelle blieben weiterhin sportlich, sie waren aber trotzdem anders als das was Honda bis 1990 geboten hat.
Sehr gut haben dies die fünfte und sechste Civic-Generation, die 1993 und 1998 auf den Markt kamen, gezeigt. Das Design wurde runder und weniger markant, was sicher auch dem allgemeinen Trend geschuldet war. Bei der Einführung von CRX EE8 und Civic EE9 1990 hat Honda die Kompaktklasse dominiert. Allerdings gerieten die Sportmodelle Civic VTi (EG6 und EK4) vor allem in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts zunehmend ins Hintertreffen gegenüber der Konkurrenz. Mit den Type R-Modellen hatte Honda in Japan zwar eine Antwort parat, aber eben nicht in Europa. Nach dem NSX-R (1992) und dem Integra Type R (1996) folgte mit dem Civic Type R (1998) im Mutterland von Honda ein Hothatch der den anderen zeigte wo's langgeht. Glücklicherweise hat Honda dies erkannt und mit dem Integra Type R das Zepter bei den sportlichen Comapcts 1998 auch in Europa wieder an sich gerissen.
Das Japanclassic wäre nicht eines der besten Treffen seiner Art, wenn diese Ära nicht akkurat abgebildet worden wäre. Die EG-Civics in Bleienbach zeigten den Beginn der neuen Phase, während der JDM EK9 den Übergang zu der neuen Sportlichkeit markierte. Die Integra Type R vor Ort standen dann für die sportlichen Weg ins neue Jahrtausend. Dabei waren nicht «nur» europäische Tegs vor Ort. Zumindest in einem Fall war das zwar eine optische Täuschung, aber eine sehr gute. Was will man denn gegen einen DC2R in Phoenix Yellow mit JDM Front, Mugen MF10-Felgen und Mugen Gen2-Wing sagen, nur weil es kein RHD ist?
Ein richtiger JDM Integra war ebenfalls dabei und zwar einer der Nachfolgegeneration. Mit der Markteinführung im Jahr 2001 hat es der DC5R gerade noch so geschafft den Kriterien von Japanclassic zu entsprechen.
Mit dem S-Roadster haben wir begonnen und mit dem S-Roadster werden wir schliessen. Der S2000, der diese Modellbezeichnung natürlich in Anlehnung an den legendären S600 trägt, läutete ein neues Jahrtausend ein. Schon bei der Markteinführung 1999 sagte man vom S2000, dass er das Potential hat eine Legende zu werden. Zwei Jahrzehnte später wird ihm den Legendenstatus niemand mehr absprechen wollen. Selbstverständlich musste auch der S2000 seinen Platz am Japanclassic haben. Der Roadster war ein würdiger Abschluss für die vier Jahrzehnte Honda-Geschichte die in Bleienbach präsentiert wurden.
Das Japanclassic hat uns sehr überzeugt und wir werden auch in Zukunft wieder darüber berichten. Alles in Allem zeigte das Treffen, dass die Japanerszene auch neben den aktuellen Modellen sehr lebendig ist und ein Stück automotive Zeitgeschichte pflegt und am Leben erhält.
Weitere Bilder
Kommentare 5
Passive85
Hallo zäme
Vielen Dank für den Artikel.
Falls jemand Interesse hat, auf Youtube gäbe es noch ein Video über das Japan Classic 2022 in Bleienbach.
https://youtu.be/vus63cl4h1g
Beste Grüsse
holgi4478
Vielen Dank für diesen tollen Artikel und die Bilder. Ich fand das Japanclassik Treffen sehr gelungen, vor allem, weil die Stimmung super war. Das lag an den vielen autoverrückten Leuten die eine Leidenschaft teilen. Bei den Autos hatte es so viele geniale Japaner, die einen hohen "haben wollen" Faktor auf mich ausüben. Das waren nicht nur Hondas - aber am Abend war ich dann doch zufrieden, wieder in meinen S zu klettern und den Kommentar zu hören:"der S2000 ist jetzt auch schon ein Klassiker".
HondaHolics Autor
Das Treffen war wirklich sehr gut organisiert und das Publikum sehr sympathisch.
Wir werden den Event auf dem Radar behalten und wieder darüber berichten.
crzfox
Ich bin begeistert, dass Ihr über das Treffen ein so tollen Beitrag schreibt. Auch die Photos sind top.
NSX habe ich mit meinem aber 3 Stück gezählt, waren andere Jahre schon mehr.
Dass man nicht alles sehen kann, liegt daran dass man kommen und gehen kann wann man will.
Danke für den Beitrag.
HondaHolics Autor
Vielen Dank für dein Feedback!
Schade, dass wir die anderen beiden NSX verpasst haben. Glücklicherweise ist es ja so, dass schon ein NSX ausreicht um Glücksgefühle auszulösen