Japan vereint Tradition und Moderne wie kaum ein anderes Land auf der Welt. Uralte Zen-Gärten in unmittelbarer Nachbarschaft von Bürotürmen aus Glas und Stahl sind hier nichts Aussergewöhnliches. Der Reiz des Unbekannten ist im Land der aufgehenden Sonne nicht nur für Europäer spannend. Die fremde Kultur gepaart mit der zurückhaltenden, höflichen Freundlichkeit der Japanerinnen und Japaner hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Nicht wenige zieht es immer wieder auf das Eiland im Pazifischen Ozean.
Diese Kultur ist auch in der japanischen Ingenieurskunst spürbar. Die Art wie Dinge in Japan verwirklicht werden entspricht dem Geist von Sōichirō Honda, der 1948 die Honda Corporation gegründet hat. Oder hat der Geist von Honda auch ein Stück weit das Japan der Nachkriegszeit geprägt? Auf jeden Fall sind wir den Spuren von Honda durch Japan gefolgt und haben wieder einmal einige Hotspots besucht.
J's Racing
Unsere Reise startete in Kyōto im Südwesten der japanischen Hauptinsel Honshū. Nach einer Nacht am Flughafen Tokio-Handa fuhren wir mit dem ersten Shinkansen, dem bis zu 300 km/h schnellen Hochgeschwindigkeitszug, die gut 400 Kilometer in die alte Kaiserstadt.
Kyōto selber bietet als ehemalige Hauptststadt kulturell enorm viel, war sie doch über 1000 Jahre, bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, Sitz des kaiserlichen Hofes von Japan. Für Honda-Enthusiasten ist vor allem die Nähe zu Osaka interessant, wo J's Racing seinen Hauptsitz hat.
Mit dem Zug erreicht man Osaka von Kyōto aus in gut 1 ½ Stunden. Auch wenn man dank Google-Maps heute einfacher durch Japan reisen kann, begegnet man ausserhalb der Tourismus-Gebiete doch manchmal noch Herausforderungen, die etwas Improvisation erfordern. So war es auch am Hauptbahnhof von Osaka. Wir wussten zwar welchen Bus wir nehmen mussten um zu J's Racing zu gelangen, bloss war nicht ganz klar wo dieser Bus fährt und die Beschriftungen waren nur in Japanisch. Nach ein paar Sumimasen (Japanisch für "Entschuldigung", eines der wichtigsten Worte, die man sich einprägen sollte, denn die japanische Höflichkeit verlangt nach vielen Sumimasen) und Englisch-Japanischer Gestensprache sassen wir dann schliesslich im richtigen Bus.
Für uns war es der erste Besuch bei J's Racing. Wie immer wenn man einen Kult-Ort das erste Mal besucht, den man von Bildern und Videos im Internet kennt, ist man ein bisschen sprachlos, wenn man dann wirklich vor dem Gebäude steht. Das Headquater von J's Racing ist eine einfache Garage wie sie auch in Europa stehen könnte. Was man hierzulande aber nicht findet sind die zahlreichen modifizierten Hondas auf dem Vorplatz. Angefangen beim JDM Integra Type R DC2 und Honda Civic SiR EG6 über einen Honda Beat bis zu seinem Nachfolger, dem Baby-NSX Honda S660 (welchem wir auf diesem Trip noch ein paar Mal begegnen würden). Da war der serienmässige S2000 nur ein kurzer Blick wert. Wirklich interessant wurde es beim Blick in die Hallen. Der neue Honda Jazz der GK-Baureihe, der in Japan natürlich Fit heisst, im Renntrimm war schon echt cool, allerdings nichts im Vergleich mit dem Fit der GD-Reihe, der in der Nähe stand. Genau, wir sprechen vom Fit GT2 Shizuki Projekt. Breite Radkästen, Volk Racing TE37, volles Aero-Paket und im Motorraum der K20 aus dem Civic Type R FD2, der dank einem J’s Racing Tsuchinoko Carbon-Intake, 70mm Abgasanlage und MoTeC-ECU 260PS leistet. Wo wir gerade bei den Rennautos sind, was wäre J's Racing ohne S2000? Wenn der Fit GT2 schon heftig aussieht, dann kann der S2000 AP1 mit Type GT Widebodykit nur als martialisch bezeichnet werden. Auf einem weiteren Lift wurde gerade bei einem Civic Servicearbeiten ausgeführt. Das an sich wäre nichts Besonderes, würde es sich bei dem Civic nicht um einen der nur 300 Mal gebauten Honda Civic FD2 Mugen RR handeln. Während wird die Autos so begutachteten, kam der J's Racing Chef, Hisaaki Murakami, persönlich in die Halle, begrüsste uns, zeigte die Hondas und erklärte die Umbauten. Das ist uns in Japan generell aufgefallen, dass man auch bei den grossen Namen die Aufmerksamkeit schätzt und herzlich willkommen ist. Sei es nun bei J's Racing oder anderen grossen Tunern, überall fühlt man sich geehrt über das Interesse.
Osaka hatte auch sonst einiges zu bieten. Neben der weltbekannten Burg und dem imposanten Umeda Sky Building gehörten natürlich die Neonlichter von Dōtonbori am Abend ebenfalls dazu. Irgendwann gegen Mitternacht ging es dann im Zug, stehend zwischen Geschäftsmännern, die sich dösend an den von der Decke hängenden Haltegriffen festhielten, zurück nach Kyōto.
Motor Sport Japan Festival
So schön Kyōto auch war, zog es uns ein paar Tage später wieder nach Tokio. Die Hauptstadt Japans ist nicht nur die bevölkerungsreichste Metropole des Landes, sondern seit 1868 auch Sitz des Tennō, des Kaisers von Japan. Tokio ist das Industrie- und Handelszentrum Japans. Das ist wohl auch der Grund weshalb auch Tuner wie Mugen oder Spoon Sports hier ihren Sitz haben. Honda betreibt sogar ein Welcome Center in der Stadt, eine Art offizieller Showroom der Marke.
Unser erster Programmpunkt in Tokio war in Odaiba, einer künstlichen Insel in der Bucht von Tokio. Nein, es war nicht die Nachbildung der New Yorker Freiheitsstatue, die ebenfalls auf der Insel zu finden ist, sondern das Motor Sport Japan Festival. Fragt man jemanden nach Auto-Events in Tokio, dann wird wohl die Tokyo Motor Show und der Tokyo Auto Salon genannt, kaum einer kennt aber das Motor Sport Japan Festival. Der Outdoor-Event bietet einen spannenden Einblick in Japans Motorsportwelt. Offizielle Rennfahrzeuge wie der NSX aus der Super GT-Meisterschaft oder sein zivileres Pendant als Safety Car des Suzuka Circuit waren nur einige der Exponate. Ebenfalls zu sehen war der Honda S Dream Streamliner, der letztes Jahr in den USA auf dem Salzsee von Bonneville den neuen Honda-Geschwindigkeitsrekord (422 km/h) aufgestellt hat. Umso beeindruckender, wenn man den kleinen Dreizylinder aus dem S660 mit 660 Kubikzentimeter Hubraum sieht, mit welchem diese Geschwindigkeit erreicht wurde. Das Aggregat wurde natürlich überarbeitet und verfügt über die dreifache Leistung eines Serienmotors. Richtig cool war auch der kleine Honda N360, der von Studenten des Honda Technical College Kanto umgebaut wurde. Auch bei diesem Fahrzeug sorgt ein S660 Motor im Heck für Fahrspass. Am diesjährigen Motor Sport Japan Festival gab es erstmals die Culture and Legend Zone wo historische Fahrzeuge sowie Replikas von Rallyautos gezeigt wurden. Im Fall des ausgestellten Honda Fit war es aber wohl eher eine Manga-Rally-Interpretation als eine Replika eines echten Rallyfahrzeuges. Richtig Spass gemacht haben auch die Vorführungen auf einem kurzen Track-Abschnitt wo man das knallen der Super-GT Fahrzeuge geniessen konnte. Insgesamt ein tolles Erlebnis für Honda-Fans und Auto-Enthusiasten.
Honda Collection Hall
Jeder Honda-Liebhaber sollte einmal in seinem Leben die Honda Collection Hall in Motegi besucht haben. Wir haben es uns natürlich nicht nehmen lassen und sind auch dieses Mal wieder hingefahren. Das grosse Honda-Museum direkt am Twin Ring Motegi beindruckt schon durch das imposante Gebäude. Beim Eintreten blickt man auf die in Glas eingravierte Aufforderung von Sōichirō Honda: Dream!
Das kleine Städtchen Motegi liegt etwa 150km nördlich von Tokio und ist auch im sehr gut ausgebauten Eisenbahnnetz von Japan nicht so einfach zu erreichen. Gut drei Stunden muss man pro Weg rechnen. Die erste Hälfte bis zur Shimodate Station reist man in modernen Zügen, danach steigt man auf die Mōka Line um und fährt noch einmal gut 1 ½ Stunden in einem dieselbetriebenen Treibwagen. Vom Bahnhof Motegi geht es dann mit dem Taxi zur Honda Collection Hall.
Die Honda Collection Hall bietet eine Reise durch die Geschichte von Honda von den späten 1960er- bis in die 1990er-Jahre und zeigt die Meilensteine der Marke. Vom S600 bis zum NSX-R wird alles geboten was das Honda-Herz höherschlagen lässt. Viele der älteren Modelle haben wir in Europa nie gesehen. Auch der Motorsport-Bereich bietet von Richie Ginthers RA272 bis zu den Boliden von Ayrton Senna, vom Mugen Motul JTC Civic bis zum Castrol Mugen NSX GT aus der JGTC GT500 Meisterschaft, viele Highlights aus Hondas Motorsportgeschichte.
Das Träumen, welches Sōichirō Honda postulierte, bekommt an diesem Ort eine zusätzliche Bedeutung. Wir alle sollen träumen und hart arbeiten um unsere Träume zu verwirklichen, das wird niemand abstreiten. Bei Honda ist man aber auch Teil eines Traums, dem des Honda-Gründers und man spürt in der Honda Collection Hall dann auch deutlich, dass es um mehr geht als einfach um ein Industrieprodukt. Es geht um ein gutes Leben und um die Freude an dem was man tut und das ist es was die Marke Honda bewegt.
Spoon Sports
Zurück in Tokio wollten wir natürlich auch die lokalen Honda-Hotspots nicht ausser Acht lassen. Alle kennen die Bilder der "heiligen Hallen" von Type One, der Werkstatt von Spoon Sports. Wir waren 2013 schon einmal da und wollten herausfinden, was es dieses Mal zu sehen gibt. Mit dem Zug oder der Metro fährt man bis zur Ogikubo Station, ungefähr acht Kilometer westlich von Shinjuku. Von da erreicht man zu Fuss nach ein paar Minuten auf der linken Seite erst den Hauptsitz von Spoon Sports und dann nach weiteren ungefähr zehn Minuten auf der rechten Strassenseite Type One. Das orange Schild kann man nicht verfehlen.
Auch wenn man schon einmal bei Type One gewesen ist, es lohnt sich immer wieder, weil jedes Mal andere Hondas zu sehen sind. Im unteren Teil des Gebäudes befindet sich die Werkstatt. Am Tag unseres Besuchs warteten ein Honda S660, ein Civic Type R FN2 und ein NSX darauf, dass die Type One-Spezialisten sich um sie kümmern. Über die Treppe an der Südseite des Gebäudes geht es in den ersten Stock wo dann das Honda-Paradies auf einen wartet. Auch dieses Mal waren wieder einige Legenden zu sehen, zum Beispiel der Spoon Sports NSX-R GT. Auch ein S2000 Rennfahrzeug war da und sogar der Honda Civic E-AT, mit dem Tatsuru Ichishima 1988 angefangen hat, stand oben auf der Rampe. Daneben ein Kunden-S2000, Integra Type R DC5 aber auch Klassiker wie S600 und S800. Dass auch hier oben ein weiterer S660 stand, war nicht weiter verwunderlich, das Modell ist aktuell bei japanischen Honda-Tunern sehr beliebt.
Wie auch bei J's Racing waren auch hier die Mitarbeiter erfreut über den Besuch, gaben gerne Auskunft und nahmen sich Zeit für einen kleinen Schwatz.
Mugen
Wenn wir schon in Japan waren, durfte natürlich auch ein Besuch bei Hondas Werkstuner Mugen nicht fehlen. Besuchern bietet beim Hauptsitz in Asaka, etwas ausserhalb von Tokio, ein Showroom Einblick in die Welt von Mugen. Die 1973 von Hirotoshi Honda, dem Sohn des Honda-Gründers, eröffnete Motorsport- und Tuningschmiede kann auf viele Erfolge im Tourenwagen- und GT-Rennsport sowie in der Formel 1 zurückblicken. Die Tuning-Fahrzeuge sind ebenfalls seit gut 30 Jahren bei Honda-Fans beliebt. In Japan werden übrigens Mugen-Varianten von aktuellen Modellen in limitierter Stückzahl über das offizielle Honda-Händlernetz verkauft.
Am Eingang stand, wie könnte es auch anders sein, ein Mugen S660. Dem Baby-NSX steht das Mugen-Kit gerade in Rot hervorragend. Im Showroom selber war das 2011 in Goodwood vorgestellte Honda CR-Z Mugen RR Concept zu sehen. Schade, dass die 180PS Kompressorvariante nie realisiert wurde. Neben dem Concept stand ein Jordan 198 (schon der zweite Jordan, den wir auf diesem Trip gesehen haben, ein Jordan EJ11 stand in der Honda Collection Hall). Ansonsten gab es allerlei Pokale, ein paar aktuelle Tuningteile und eine kleine Übersicht von alten Rennmotoren zu sehen, welche die guten alten Zeiten in Erinnerung gerufen haben, als in der Formel 1 noch mit 10 Zylinder-Motoren gefahren wurde.
Japan hat auch dieses Mal wieder bleibende Eindrücke hinterlassen, neue Erfahrungen und spannende Erlebnisse geboten und dies nicht nur in Bezug auf Honda, sondern allgemein. Das Land und die Kultur sind faszinierend und besonders die Freundlichkeit der Menschen werden wir vermissen.